Resilienz ist eine Eigenschaft der Psyche, die uns Stress und Probleme einfacher bewältigen lässt. Ein Stück weit ist Resilienz sicherlich angeboren, in Teilen ist sie ein Resultat der persönlichen Lebensgeschichte. Aber Resilienz lässt sich auch trainieren! Im folgenden Artikel lesen Sie mehr darüber.
1. Was ist Resilienz?
Misserfolge, Schicksalsschläge, unglückliche Lebensumstände, aber auch große Erfolge: Es gibt Menschen, die an negativen oder positiven Extremerfahrungen zerbrechen. Auch eigentlich alltägliche Belastungen wie Stress oder Erfolgsdruck lassen manche bereits in Krisen geraten.
Während andere Menschen die Widrigkeiten und Problemen des Lebens mit Gleichmut meistern oder zumindest schnell wieder aufstehen, falls es sie doch mal umgeworfen haben sollte. Sie ändern die Dinge, die zu ändern sind und akzeptieren das Unabänderliche mit Gelassenheit. Es ist so, als gäbe es im Zentrum ihrer Persönlichkeit einen gut geschützten Kern. Diese seelische Widerstandskraft meinen Psycholog:innen und Neurowissenschaftler:innen, wenn sie den Begriff Resilienz benutzen. Offiziell definiert die Forschung Resilienz als „die Aufrechterhaltung oder schnelle Wiederherstellung der psychischen Gesundheit während und nach Widrigkeiten“; das lateinische „resilire“ bedeutet soviel wie „zurückspringen“.
1.1. Der feste Kern als innere Widerstandskraft
Resilienz hat also definitiv nichts mit Gefühlsarmut, Gefühlsverdrängung oder Härte zu tun. Resiliente Menschen erleben Höhen und Tiefen, das Leben prallt nicht an ihnen ab. Aber bevor es sie aus der Bahn schleudert, reagieren sie mit einer gesunden Kursänderung und bleiben im Kern dieselben.
Resiliente Menschen haben nicht notwendig besondere Fähigkeiten. Außer vielleicht der Fähigkeit, aus den Fähigkeiten, die sie besitzen, das Beste zu machen. Resiliente Menschen sind auch nicht zwanghaft optimistisch. Sie sehen sich selbst realistisch, aber grundsätzlich positiv. (Eine Fähigkeit die in einem Coaching gestärkt werden kann!) Sie denken konstruktiv. Dank dieser Disposition haben sie gute Voraussetzungen, psychisch und körperlich gesund, leistungsfähig und belastbar zu bleiben.
2. Woher kommt Resilienz?
Woher kommt die innere Widerstandskraft, die uns Niederlagen und Schicksalsschläge unbeschadet überstehen lässt? Ist sie eine Frage glücklicher Gene? Oder eher das bestmögliche Ergebnis der eigenen Sozialisierung als Kind?
2.1. Nature or nurture?
Einerseits sind Kinder, die in einer Kombination aus Armut und sozio-kultureller Benachteiligung aufwachsen, nachweislich besonders gefährdet, später wenig resilient zu sein. Andererseits fehlen auch behüteten und geförderten Kindern liebevoller Eltern später oft die Ressourcen für einen produktiven Umgang mit Problemen. Was schließen wir daraus? Ist Resilienz nun angeboren, erworben – oder beides?
2.2. Erlaubnis zum Handeln
Es gibt zum Glück keine eindeutige Antwort darauf. Fest steht, dass es Menschen gibt, die trotz widriger Umstände Strategien entwickeln, die sie an Krisen eher wachsen als zerbrechen lassen. Und ebenso fest steht, dass es niemandem etwas bringt, fehlende Resilienz seufzend als naturgegebene Eigenschaft hinzunehmen.
Passivität, wenig Selbstvertrauen, Destruktivität: Oft ist ein Mangel an Resilienz das Ergebnis verfestigter selbst-sabotierender Denkmuster. Mit anderen Worten, so etwas wie eine schlechte Angewohnheit, die man sich (glücklicherweise) auch wieder abgewöhnen kann.
Ja, Resilienz können Sie trainieren wie einen Muskel. Genau wie das Muskeltraining braucht auch das Resilienztraining Zeit und Durchhaltevermögen. Aber wie beim Sport gilt auch hier: Mit Ausdauer und Unterstützung lässt sich die Widerstandskraft stärken. Im Sport ist ein wohldurchdachtes, auf Erkenntnissen aus Medizin und Psychologie basierendes Trainingsprogramm in der Regel effizienter als einfaches „Draufloswursteln“. Ähnlich ist das auch beim Resilienztraining. Lassen Sie uns deshalb die Psychologie der Resilienz noch etwas genauer analysieren.
3. Die Psychologie der Resilienz
Resilienzforscher:innen sprechen von sogenannten Resilienzfaktoren, also von Kompetenzen bzw. Persönlichkeitsmerkmalen im emotionalen, kognitiven und sozialen Bereich, auf die sich die geringere Vulnerabilität resilienter Menschen gegenüber psychischen Belastungen zurückführen lässt.
Zu den emotionalen Faktoren gehören:
- Akzeptanz und Gelassenheit
- eine gut entwickelte Impulskontrolle
- positive Emotionen und Selbstwahrnehmung.
Das bedeutet: Unabwendbares gelassen akzeptieren – sich von seinen Gefühlen und Impulsen nicht überwältigen lassen – in allem auch das Positive sehen – auch sich selbst in einem freundlichen Licht wahrnehmen.
Zu den kognitiven Faktoren gehören:
- Selbstwirksamkeitserwartung
- Kontrollüberzeugung
- realistischer Optimismus
- analytische Fähigkeiten
- Kohärenzgefühl
Das bedeutet: Sich voller Selbstvertrauen im Zentrum von Zusammenhängen verorten, die verstehbar und beherrschbar sind – die Lage analysieren, realistische Ziele stecken und aktiv anstreben.
Soziale Faktoren sind vor allem:
- Netzwerkorientierung
- und Empathie
Das heißt: Tragfähige soziale Beziehungen und Netzwerke aufbauen – soziale Intelligenz in Interaktionen – Beziehungen genießen und nutzen.
3.1. In der Summe mehr
Jeder einzelne Resilienzfaktor ist kein Garant für Resilienz: Wer netzwerkorientiert und empathisch ist, kann trotzdem an der aktiven Verfolgung seiner Ziele scheitern. Wer analytische Glanzleistungen vollbringt und seine Pläne gnadenlos durchdrückt, leidet vielleicht trotzdem unter unkontrollierbaren Wutanfällen oder anderen Anzeichen emotionaler Instabilität. Das Schöne aber ist, dass sich die Faktoren gegenseitig verstärken: Von jedem ein bisschen ist in der Summe mehr!
Der letzte Teil des Artikels handelt nun davon, wie Sie die verschiedenen Resilienzfaktoren ganz bewusst verstärken können, darum geht es häufig auch im Führungskräftecoaching.
4. Lassen sich emotionale Resilienzfaktoren trainieren?
Sie denken, dass Sie weder gelassen sind noch ein besonders sonniges Gemüt haben? Und Sie meinen, daran ließe sich auch nichts ändern?
Natürlich lässt sich niemand mal eben völlig umkrempeln, und auch die Geschichte Ihres Lebens oder Ihre intellektuellen Voraussetzungen werden Sie mit blanker Willenskraft bestimmt nicht ändern. Trotzdem haben Sie es stärker in der Hand als Sie denken, wie Ihr Charakter und die Welt miteinander wechselwirken. Hierzu zwei Beispiele für emotionale Schutzfaktoren.
4.1. Akzeptanz trainieren: Annehmen statt hadern
Akzeptieren Sie das Unabänderliche. Dazu gehören Ihre eigenen Grenzen ebenso wie Geschehnisse der Vergangenheit und viele außerhalb Ihrer selbst liegende Umstände (das Verhalten anderer Menschen, die Gesellschaft). Ja, Sie werden älter, ja, Sie verstehen nichts von XYZ, ja, Sie haben 1996 keine Apple-Aktien gekauft, ja, Ihr/e Chef:in ist ein Choleriker. Akzeptieren bedeutet nicht notwendigerweise „gut heißen“. Akzeptieren bedeutet, mit dem energieraubenden Jammern aufzuhören und für den Moment anzuerkennen, dass die Dinge so sind, wie sie sind.
4.2. Positive Selbstwahrnehmung fördern
Wir leben in einer Kultur, in der Negatives oft mehr Aufmerksamkeit erhält als Positives – in den Medien, im Gespräch mit Anderen, und damit oft auch in den eigenen Gedanken. Seien Sie achtsam, lästern Sie nicht mit und versuchen Sie förderlichen und freundlichen Gedanken mehr Platz einzuräumen. Vielleicht gibt es Menschen, die Ihnen diesbezüglich besonders gut tun? Oder Sie schreiben regelmäßig ein Tagebuch, in dem Sie sich nicht nur über Probleme ausheulen, sondern zum Beispiel drei Dinge am Tag festhalten, für die Sie dankbar sind. Damit wird ein ganz neuer Filter in der Wahrnehmung gesetzt. Im Coaching lasse ich hin und wieder Klienten eine Lobeshymne auf Menschen schreiben, mit denen sie sich besonders schwertun. Es mag ungewöhnlich klingen, aber es kann Wunder bewirken.
5. Lassen sich kognitive Resilienzfaktoren trainieren?
Wer die Welt als sinnhaft und sich selbst in Verantwortung für die eigene Person wahrnimmt, ist psychisch stabiler als jemand, der sich in der Opferrolle eingerichtet hat. Hier soll es nun um verfestigte Denkmuster gehen, die z.B. die Selbstwahrnehmung als machtloses Opfer zementieren – und natürlich darum, wie man sie los werden kann.
5.1. Glaubenssätze können lähmen oder aktivieren
Unsere persönlichen Einstellungen prägen unsere Sicht auf die Welt. Mit dem Glaubenssatz „Arbeit bereichert mich und andere“ lebt es sich sicherlich anders als mit der Einstellung „Arbeit ist ein notwendiges Übel“. Das ist einerseits völlig normal – andererseits können solche Muster unsere Handlungsmöglichkeiten unbewusst einschränken.
Glaubenssätze (“Alles muss man selbst machen”, “Konflikte sollte man besser vermeiden”) halten wir gern für der Weisheit letzten Schluss. Einer hinterfragenden Analyse halten sie aber meist nicht unbeschädigt stand. Diese Erkenntnis ist insofern befreiend, als dass sie uns quasi die Erlaubnis gibt, unsere Überzeugungen selbst zu wählen: Wenn schon Glaubenssätze, dann vielleicht lieber solche, die förderlich für uns sind.
5.2. Kontrollüberzeugung und Selbstwirksamkeitserwartung
Resiliente Menschen sind überzeugt, dass sie ihre eigene Lage (negativ wie positiv) beeinflussen können, dass ihre Situation das Ergebnis ihrer Handlungen ist. Psycholog:innen sprechen von Kontrollüberzeugung und Selbstwirksamkeitserwartung. Zu den hinderlichsten Glaubenssätzen gehören solche, die sich gegen die Kontrollüberzeugung richten beziehungsweise die Selbstwirksamkeit oder Eigenverantwortung in Frage stellen und so ein Gefühl des Ausgeliefertseins erzeugen.
Überzeugungen wie “Man kann ohnehin nichts ändern” oder “Nach meiner Meinung fragt ja keiner“ wurzeln oft in der persönlichen Geschichte und können daher extrem hartnäckig sein. Der erste Schritt zu einer Veränderung ist aber bereits, diese Glaubenssätze als das zu identifizieren, was sie sind: keine in Stein gemeißelten Wahrheiten, sondern selbst gewählte Interpretationen.
Im Coaching geht es häufig um genau diese Erkenntnis: dass Sie in Situationen, in denen Sie sich bislang als ohne Einfluss auf den Gang der Ereignisse wahrgenommen haben, doch mehr Einflussmöglichkeiten hatten als Sie dachten. Zu erkennen, dass es mehr Wahl- und Handlungsoptionen gibt, wenn Sie bereit sind Ihre Glaubenssätze zu hinterfragen, schafft neue Möglichkeiten.
Ähnlich verhält es sich mit Erfolgen und positiven Ereignissen: Sich vor Augen zu führen, dass Sie etwas zu Ihrem Erfolg beigetragen haben, verstärkt das Empfinden von Selbstwirksamkeit. Es macht einen Unterschied, ob Sie „Einfach nur Glück gehabt“ denken – oder: „Ich habe hier etwas bewirkt“.
5.3. Optimismus: Hier laufen viele Faktoren zusammen
Realistischer Optimismus ist einer der offensichtlichsten seelischen Schutzfaktoren. In Krisen und schwierigen Situationen rechnen resiliente Menschen eher mit einem guten Ausgang – oder gehen zumindest davon aus, dass sie zurechtkommen werden, egal was geschieht. Sie geben weniger schnell auf, suchen länger nach Lösungen. Sie fallen aber auch nicht in ein tiefes Loch, wenn absehbar wird, dass sich die gewünschten Ergebnisse nicht einstellen: Schließlich ist morgen auch noch ein Tag, und die Kontrolle über ihre Interpretation des Geschehenen bleibt ihnen in jedem Fall.
Am Optimismus wird besonders deutlich, wie eng viele Resilienzfaktoren zusammenhängen: Akzeptanz und Gelassenheit, positive Selbstwahrnehmung und Kontrollüberzeugung beeinflussen natürlich auch unseren Blick auf das Kommende.
6. Sie möchten resilienter werden?
Wie blicken Sie selbst in die Zukunft? Zählen Sie sich eher zu den resilienten oder weniger resilienten Menschen? Wo sehen Sie am ehesten den Hebel für eine gewünschte Veränderung?
Verfestigte Denkmuster sind hartnäckig und schwer aufzubrechen – ein Coaching kann dafür wichtige Impulse geben. Es ist kein Gesichtsverlust, sich Unterstützung zu holen, wenn man es nicht alleine schafft (auch das gehört übrigens zu den Strategien resilienter Menschen). Ich bin für Sie da, wenn Sie Fragen oder Gesprächsbedarf zum Thema haben!
Nehmen Sie gerne Kontakt mit mir auf, und wir loten gemeinsam aus, ob und wie ich Ihnen weiterhelfen kann.
Ihre Esther Kimmel